Zwangsehe

Allgemeines über Zwangsehen

Wird deine Ehe durch Machtausübung oder Gewaltanwendung gegen deinen Willen geschlossen oder aufrecht erhalten? Dann bist du vermutlich Betroffene:r einer Zwangsehe.

Dieses Kapitel erklärt dir, was eine Zwangsehe ist, wo die Grenzen sind und was du als Betroffene:r tun kannst. Du findest konkrete Anlaufstellen, die dir gerne weiterhelfen. Das Wichtigste aber vorab: Es gibt viele Wege, bei einer Zwangsehe Hilfe zu bekommen! Du musst keine Angst haben, dich damit auseinanderzusetzen.

Was versteht man unter Zwangsehe?

Eine Zwangsehe ist eine unter Zwang zustande kommende Heirat.

Ausschlaggebend ist, ob ihr (also du und dein:e Partner:in) das Gefühl habt, dass ihr unter Druck gesetzt werdet, eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt zu heiraten oder eine Ehe aufrecht zu erhalten, die ihr eigentlich beenden wollt.

Häufig wird dieser Druck vonseiten der Familie ausgeübt. Formen des Zwangs können Drohungen, aber auch das ständige Verweisen auf Familienehre sein, emotionale Erpressung, körperliche Gewalt und sogar Einsperren.

Was sind die Merkmale einer Zwangsehe?

Zunächst einmal das Wichtigste: Zwangsehen sind in Deutschland illegal und gelten als häusliche Gewalt. Auch international gelten sie als eine Menschenrechtsverletzung.

Hier haben wir dir einzelne Kriterien zusammengefasst, ab wann man von einer Zwangsehe spricht:

• es ist nicht erlaubt, dass man dich mit Gewalt oder Androhung dazu bringt jemanden zu heiraten

• besonders schlimm ist es, wenn deine Familie dir droht, sich von dir abzuwenden, wenn du dich der Zwangsehe verweigerst

• es ist illegal, dich im Ausland gegen deinen Willen zu verheiraten, um danach wieder zurück nach Deutschland zu kommen

• eine Ehe darf nichts mit Zwang zu tun haben, egal wie oft deine Eltern behaupten, das würde zu deiner Kultur oder Religion gehören. Das stimmt einfach nicht: niemand hat das Recht, dich zu einer Heirat zu zwingen!

Wichtig ist:
Auch wenn diese Aspekte vielleicht (noch) nicht ganz auf deine Situation zutreffen, du dich aber trotzdem unwohl oder sogar unsicher fühlst, kannst du auch Hilfe aufsuchen.

Warum werde ich zwangsverheiratet?

Nochmal in aller Deutlichkeit: Zwangsehen sind in Deutschland illegal. Auch wenn du das Gefühl hast, du wirst nur leicht dazu überredet, hast du das Recht, "NEIN" zu sagen. Vielleicht werden dir deine Eltern oder das Umfeld angebliche gute Gründe auftischen, warum die Person die richtige Wahl sei:

• Gesellschaftlicher Stand:
  Deine Eltern wünschen sich, dass du eine Person aus einem "guten Haushalt" heiratest, um ihren eigenen gesellschaftlichen Stand oder die "Familienehre" beizubehalten. Sie haben aber bei dieser Entscheidung absolut nichts zu melden, sondern nur du alleine.

• Religiöse und kuturelle Gründe:
  Du hast kein Selbstbestimmungsrecht und deine männlichen, älteren Familienmitglieder entscheiden, in welche Familie du eingeheiratet werden sollst, ohne dabei deine Wünsche berücksichtigen.

• Geldgründe:
  Vielleicht wurde dein:e Partner:in aufgrund der wohlhabenden Familie ausgesucht, ohne dabei deine Gefühle zu berücksichtigen. Auch wenn du das Gefühl hast, dass dir "nur" bei deiner Entscheidung reingeredet wird - löse dich davon und höre auf dein Herz, denn du hast das Recht dazu!

Was kann ich tun, wenn ich betroffen bin?

Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns hier wiederholen: eine Zwangsheirat ist und bleibt illegal. Es ist ganz wichtig, dass du dich schnellstmöglichst einer Vertrauensperson zuwendest, wenn du befüchtest, zwangsverheiratet zu werden oder zu sein.

1. Frag Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder, ob sie dich unterstützen können, wenn du dich damit wohl fühlst. Denn der Weg vor dir bereitet dir bestimmt Angst und lässt sich gemeinsam viel besser gehen als alleine.

2. Informiere dich anonym über deine Schutzmöglichkeiten, und vernetze dich mit anderen Betroffenen, die es vielleicht schon aus einer ähnlichen Situation herausgefunden haben.

3. Ist deine Situation gefährlich, dann rufe unbedingt direkt die Polizei an (110). Dort wird dir sofort geholfen.

Wenn du nicht die Polizei informieren möchtest, kannst du auch bei unseren Hilfsangeboten vorbeischauen. Dort wird dir bestmöglich weitergeholfen!

Gibt es professionelle Hilfe für mich?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten für dich Hilfe aufzusuchen, die wir hier und auch im Bereich "Hilfsangebote" für dich zusammengefasst haben. Zum einen findest du dort den "Hilfekompass", der dir sagt, in welcher Situation welche Hilfe sinnvoll ist. Du findest aber auch ganz konkrete Anlaufstellen, die du direkt über die App kontaktieren kannst!

Grundsätzlich gibt es für dich folgende Möglichkeiten:

• Stufe 1: Sprich mit Freunden oder Bekannten, ob sie dich in deiner Situation unterstützen können.

• Stufe 2: Suche ein Beratungsangebot auf, wenn du lieber anonym bleiben möchtest. Es gibt viele kostenlose und anonyme Beratungen, die dir in deiner Situation weiterhelfen können.

Solltest du in einer Notsituation sein, können dir die Polizei 110 und das örtliche Jugendamt Hilfe und Schutz bieten.

Bist du bereits im Ausland, findest du über das Auswärtige Amt Deutschland Hilfe. Beim Anruf musst du das Wort "Notfall" sagen, damit du sofort verbunden wirst. Deutsche Botschaften und Konsulate findest du beim Auswärtingen Amt.